Liebe deutsche Freundinnen und Freunde

Liebe deutsche Freundinnen und Freunde,

es ist Zeit für eine erste Bilanz: Vor einem Jahr bin ich ins italienische Parlament gewählt worden. Die Italiener in Europa halte ich mit einem monatlichen Newsletter über meine Arbeit im Parlament und die Politik in Rom auf dem Laufenden (nachzulesen auf meiner Homepage www.garavini.eu). Leider schaffe ich es nicht, diesen Newsletter jeden Monat auch auf Deutsch sowie auf Englisch, Französisch und in den anderen wichtigen Sprachen meines Wahlkreises Europa anzubieten – ein Wahlkreis, zu dem alle europäischen Länder, außer Italien, plus die Türkei gehören. Aber ich habe mir vorgenommen, zumindest einmal im Jahr meine Freunde und Unterstützer auch auf deutsch über den Fortgang meiner Tätigkeit in Rom zu informieren.

Für ein europäisches Italien

Gleich nach meiner Wahl habe ich mich entschlossen, im Europaausschuss mitzuarbeiten. Europa ist mein Zuhause und ich will im Ausschuss mithelfen, dass Berlusconi und seine Rechtsregierung Italien nicht weiter von Europa entfernen. In der Debatte um die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon habe ich für meine Fraktion geredet und für ein Ja zum Reformvertrag geworben (Video). Der EU-Reformvertag macht meiner Ansicht nach, trotz aller Kompromisse und Unzulänglichkeiten, die Europäische Union demokratischer, transparenter und effizienter und schafft die Grundlage für ein sozialeres Europa. Häufig versuche ich meine Erfahrungen aus Deutschland in die politische Diskussion einzubringen. Beispielsweise habe ich im Parlament auch zur Beschäftigungsituation der Frauen geredet und kritisiert, dass Italien in Europa bei diesem Thema weit hinterherhinkt. Angesichts der sehr viel moderneren Realität in anderen europäischen Ländern ist es nicht akzeptabel, dass die Regierung Berlusconi sich nach wie vor weigert, ein Programm zur Förderung der Frauenbeschäftigung zu starten.

Fraktionsvorsitzende im Antimafia-Ausschuss

Auch für mich persönlich war es eine große Überraschung, dass mich meine Fraktion im November, nach nur einem halben Jahr im Parlament, zur Fraktionsvorsitzenden im Antimafia-Ausschuss ernannt hat. Diese Arbeit nimmt seitdem einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. In meiner Antrittsrede im Ausschuss (der als einer der wenigen im italienischen Parlament ein Zwei-Kammer-Ausschuss ist, also jeweils zur Hälfe mit Abgeordneten und Senatoren besetzt ist) habe ich deutlich gemacht, welche Antimafia-Politik wir von der Demokratischen Partei in den kommenden Jahren im Parlament verfolgen werden: Schwerpunkte sollen sein, die Verstrickungen von Mafia und Politik zu bekämpfen, die Verbindungen von Mafia und Wirtschaft zu zerschlagen, die internationale Zusammenarbeit in der Bekämpfung der Mafia zu verbessern und gleichzeitig den Süden Italiens wirtschaftlich und sozial zu fördern, um der organisierten Kriminalität dort den Boden zu entziehen (wer ein bisschen Italienisch versteht, kann meine Rede nachlesen.

Die Mafia ist Gewinner der derzeitigen Krise

Stichwort Verwicklung von Politik und Mafia: Gemeinsam mit unserer Fraktionsführung habe ich einen Antrag zum Rücktritt des Staatssekretärs Cosentino gestellt und dazu auch die Rede der Fraktion im Parlament gehalten (Video). Dem Staatssekretär aus der Camorra-Hochburg Casal di Principe werden von diversen Kronzeugen Verbindungen zur Camorra unterstellt. Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen wurde unserer Antrag abgelehnt. Einige Wochen später haben wir uns zumindest mit unserer Forderung durchgesetzt, dass der Antimafia-Ausschuss seine erste Arbeitsreise nach Casal di Principe unternimmt. Die Camorra-Hochburg ist durch Roberto Savianos Buch „Gomorra“ auch international bekannt geworden. Die Mafia ist einer der Gewinner der aktuellen Wirtschaftskrise. Während in der legalen Wirtschaft das Geld knapp ist, verfügt die Organisierte Kriminalität über ausreichend Liquidität. Dies führt nach Erkenntnissen der Antimafia-Ermittler in Italien dazu, dass sich immer mehr, vor allem kleinere Unternehmer Geld aus mafiösen Quellen leihen, um über die Runden zu kommen. Auch beim Bau der Infrastrukturmaßnahmen für die Expo in Mailand steht die Mafia in den Startlöchern, um legale Konkurrenz aus dem Weg zu boxen und Millionen zu verdienen.

Engagement für die Italiener in Europa

Meine erste Gesetzesinitiative nach meiner Wahl habe ich zum italienischen Namensrecht eingebracht, das im europäischen Vergleich hoffnungslos veraltet ist. In Italien erhält jedes Kind immer noch ausnahmslos den Nachnamen seines Vaters als Familiennamen. Dies ist nicht nur politisch und kulturell unakzeptabel, es führt auch ganz praktisch zu Schwierigkeiten zum Beispiel für italienische Mütter die ihrem Kind in Deutschland ihren Familiennamen gegeben haben. In Italien wird dies nicht akzeptiert, der italienische Staat zwingt diese Mütter, wenn sie eine doppelte Staatsbürgerschaft haben, ihrem Kind den Nachnamen des Vaters zu geben. Außerdem habe ich in einer parlamentarischen Initiative die Regierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, den Italienern im Ausland den Erwerb einer doppelten Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Gemeinsam mit den anderen im Ausland gewählten Abgeordneten der Demokratischen Partei habe ich einen Gesetzesvorschlag zur Reform der italienischen Auslandsschulen eingebracht. Er sieht vor, die italienischen Schulen im Ausland zu einem Ort des multikulturellen Lernens und der Integration zu machen.

Führungswechsel in der Demokratischen Partei

Das Jahr nach der Parlamentswahl war für uns vom Partito Democratico (PD) ein sehr schwieriges. Als die Regierung Prodi stürzte, bestand der PD gerade wenige Wochen, hatten wir kaum funktionierende Führungsstrukturen. Die Tatsache, dass wir die Parlamentswahl deutlich verloren haben, hat den Aufbau der Partei nicht leichter gemacht. Es gibt nach wie vor Schwierigkeiten, die beiden kulturellen Strömungen zusammenzuführen, aus denen die Demokratische Partei entstanden ist (die sozialdemokratisch/sozialistische und die linkskatholische). Außerdem setzen sich leider auf der Führungsebene sehr personenbezogene Flügelkämpfe aus der alten sozialdemokratischen DS und der linkskatholischen Margherita auch im PD fort (Veltroni contra D’Alema contra Rutelli contra Marini). Nach der Niederlage bei den Regionalwahlen auf Sardinien hat der bisherige Parteichef Walter Veltroni aus diesen anhaltenden internen Streitigkeiten die Konsequenz gezogen und ist zurückgetreten. Sein Nachfolger ist der Linkskatholik Dario Franceschini, der bislang Veltronis Stellvertreter war. Für ein abschließendes Urteil über seine Arbeit ist es noch zu früh. Was ich gut finde: Er fährt einen etwas härteren Kurs gegen die Regierung Berlusconi und macht deutlich (unter anderem mit der Forderung nach einer Reichensteuer und der Einführung von Arbeitslosengeld nach europäischem Vorbild), dass der Partito Democratico in der derzeitigen Wirtschaftskrise ohne Wenn und Aber an der Seite der sozial Schwächeren steht.

Berlusconi bleibt ein europäischer Problemfall

Den deutschen (und anderen internationalen) Medien muss man im Vergleich zu vielen italienischen Medien ein Kompliment machen: Berlusconi war und ist kein Regierungschef wie alle anderen, er ist und bleibt ein Problemfall in Europa und muss entsprechend behandelt werden. Seine Rechtsregierung hat mit dazu beigetragen, dass in Italien in den vergangenen Monaten ein Klima des Rassismus und der Intolleranz entstanden ist, das teilweise beängstigende Folgen hat (Angriffe auf ausländisch aussehende Menschen, Angriffe auf Roma- und Sinti-Lager, Angriffe auf Homosexuelle etc.). Durch das Parlament fährt Berlusconi mit seiner erdrückenden Mehrheit wie ein Bulldozer. Häufig verbindet er Abstimmungen mit der Vertrauensfrage, um die Diskussion im Parlament abzuwürgen. Kürzlich hat er sogar damit gedroht, als Präsident Napolitano ein Gesetzesdekret zum Lebensschutz gestoppt hatte, die Verfassung im Handstreich zu ändern. Und täglich nutzt er seine Medienmacht: Während ganz Europa über Berlusconi beim G20- und beim NATO-Gipfel den Kopf geschüttelt und sich empört hat, feierte der überwiegende Teil der italienischen Medien Berlusconi. Für den durchschnittlichen italienischen Fernsehzuschauer und Radiohörer hat Berlusconi in Baden-Baden die NATO gerettet (so wurde es in den italienischen Medien dargestellt). Dass der Rest Europas und der Welt die Auftritte des italienischen Regierungschef lächerlich und anmaßend fanden, erfuhr in Italien fast niemand. Berlusconi schadet Italien und beschädigt das Ansehen der Italiener, auch der im Ausland.

Ich persönlich und die Demokratische Partei insgesamt werden unsere Oppositionsarbeit gegen Berlusconi fortsetzen. Wir würden uns freuen, wenn wir dabei auf Eure Unterstützung zählen könnten.

Laura Garavini

Rom, 20. April 2009

www.garavini.eu

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